01.02.2021 11:21
«Wissen, wann es genug ist»
Geschichtskolumnist Hans Geisser hört nach über 150 Texten auf
Gut zehn Jahre lang verfasste Hans Geisser aus Arbon Geschichtskolumnen für die Oberthurgauer Nachrichten. Über 150 Texte über «Vergangenes aus Arbon», wie die Kolumne hiess, kamen dabei zusammen. Fortan wird sich Geisser nur noch für private Zwecke in den Archiven der Arboner Museumsgesellschaft aufhalten.
Arbon In unregelmässigen Abständen erschienen während der letzten zehn Jahre immer wieder Geschichtskolumnen in den Oberthurgauer Nachrichten. Der Verfasser Hans Geisser, langjähriger Präsident der Museumsgesellschaft Arbon und Konservator im Schloss Arbon, recherchierte für die Rubrik «Vergangenes aus Arbon» regelmässig über Vergangenes mit Gegenwartsbezug. So beispielsweise im Vorfeld von Abstimmungen oder grossen Ereignissen wie der Corona-Pandemie und der Spanischen Grippe, die Ende des Ersten Weltkriegs auch in der Region grassierte. «Mir machte das Schreiben immer dann am meisten Spass, wenn ich mit den Texten ein aktuelles Thema aufgreifen und dann mit dem Blick in die Vergangenheit aufzeigen konnte, dass ein Thema bereits früher hitzig diskutiert wurde», erklärt der Arboner. Meistens zeigte sich dann bei der Recherche, dass die Wogen sich schnell wieder glätteten und eine Thematik nach einer gewissen Zeit kaum mehr der Rede wert gewesen sei. «Ich nehme deshalb auch die Gegenwart etwas gelassener», sagt Geisser mit einem Lächeln im Gesicht.
Arbon wusste sich während der Spanischen Grippe zu helfen
Der Blick auf den Umgang der Region mit der Spanischen Grippe ab Ende des Ersten Weltkrieges dürfte derzeit besonders spannend sein. Geisser spricht den damaligen Verantwortlichen ein gutes Zeugnis aus: «Man war für die damals herrschenden Verhältnisse gut organisiert. Impfungen hatte man zu dieser Zeit keine, aber das Rebenschulhaus und die Turnhalle wurden innert kürzester Zeit zu einem Notspital umfunktioniert und man wusste sich, auch dank der Hilfe der Arboner Ärzte, angehenden Krankenschwestern aus Zürich und des Arboner Samaritervereins, zu helfen», so Geisser. Spannend sei es auch, einen Blick auf die Rückkehr in die Normalität nach der Spanischen Grippe zu werfen: «Als die Pandemie überstanden war, stand sofort die Wirtschaft wieder im Fokus. Die Industrie in Arbon hatte sich erst ab 1925 vorübergehend wieder erholt, ehe die Weltwirtschaftskrise auch Arbon erfasste», so Geisser. Wie dereinst die Rückkehr in die Normalität nach der Corona-Pandemie bewältigt werde, darüber mag der Arboner nicht spekulieren. «Das ist die Aufgabe von künftigen Historikern. Aktuell erinnert mich die Situation ein wenig an ein Fussballspiel: Jeder ist Experte und hat etwas zu sagen», so Geisser.
Freude über den Arboner Zuschlag für kantonales Museum
Ein Ereignis, das weniger lang zurückliegt, ist der Entscheid, einen Teil des Historischen Museums des Kantons Thurgau von Frauenfeld nach Arbon zu verlegen. «Über diesen Entscheid habe ich mich sehr gefreut – und es war meiner Meinung nach höchste Zeit, dass Arbon und somit die Region Oberthurgau wieder einmal vom Kanton Thurgau berücksichtigt wird», sagt Geisser. Ein Wehrmutstropfen sei für ihn jedoch der gewählte Standort in der ehemaligen Webmaschinenhalle. Seiner Meinung nach wäre das Schloss Arbon für das kantonale historische Museum prädestiniert gewesen. «Die Freude über den Standort Arbon überwiegt aber ganz klar», versichert Geisser.
Die Schlüssel zum Archiv
Dass seine Geschichtskolumnen in den Oberthurgauer Nachrichten nach mittlerweile zehn Jahren und über 150 veröffentlichen Texten ebenfalls Geschichte sind, hat laut Geisser vor allem einen Grund: «Ich bin nun 82 Jahre alt und wollte damit aufhören, solange es noch ein Vergnügen ist und nicht, wenn ich selber oder gar andere merken, dass ich den richtigen Zeitpunkt dafür verpasst habe». Seiner Leidenschaft, der Geschichtsforschung, wird er sich dennoch weiterhin widmen. «Es gibt noch einige weisse Flecken in der Arboner Geschichte, insbesondere bei gewissen Familien. Ausserdem erhalte ich nach wie vor viele Anfragen von Studenten, Ämtern und Familienforschern, die mich um Mithilfe bei ihren Nachforschungen bitten. Das mache ich natürlich sehr gerne», so Geisser. Ermöglicht werden ihm die Nachforschungen von der Museumsgesellschaft Arbon. «Dass ich einen Schlüssel für das Archiv habe, obwohl ich offiziell mit dem Museum und dem Vorstand nichts mehr zu tun habe, dafür bin ich sehr dankbar», sagt er. Anzutreffen ist der Arboner in den Gängen des Archivs jedoch nur noch selten: Mittlerweile nimmt er die notwendigen Schriften, Dokumente und Bücher zu sich nach Hause ins Büro, um dort ungestört und in aller Ruhe darin stöbern zu können.
Von Benjamin Gahlinger