autobau
Romanshorn Hier stehen die Protagonisten, die in vielen Träumen eine Hauptrolle übernehmen. Sie heissen Ferrari, Porsche, Mercedes und Bugatti. Ihre Formen sind filigran und harmonisch. Ihr Glanz wirkt teuer und kostbar – so kostbar, dass er blendet. In ihren knalligen Farben glänzen sie um die Wette und dies obwohl ihr Motor, ein äusserst integraler Part ihres Wesens, ihr Herz sozusagen, nicht schlägt und nur eine Zahl auf dem Datenblatt ist. «All diese Autos waren einst nur ein Traum in jemandes Kopf», sagte der britische Musiker Peter Gabriel einmal. Genau so ist es. Nur sind sie jetzt die Träume in vielen Köpfen.
Wir sind zu Gast im Autobau Romanshorn, einem Museum, das genauso gut in einer Metropole stehen könnte, ohne auf- oder abzufallen. Das schlichte Backsteingebäude gibt nicht viel preis über sein Innenleben. Einzig ein aus Zahnrädern gefertigtes Kunstwerk in der Form eines Oldtimer-Porsches in Originalgrösse auf dem Vorplatz ist ein Indiz dafür, was einem im Museum erwartet. «Erleben Sie die legendärsten Strassensportwagen, weltberühmte Klassiker, moderne Supercars und professionelle Rennautos aus der ganzen Welt aus nächster Nähe», steht in einem Flyer des Autobaus geschrieben. Weiter ist dem Papier zu entnehmen, dass die rund 120 Fahrzeuge zur privaten Sammlung von Fredy Lienhard gehören. In einigen Fahrzeugen ist der Schweizer Rennfahrer und Unternehmer selbst gesessen und Rennen gefahren, andere stammen aus der Formel 1 oder längst vergangenen Zeiten – so zum Beispiel ein Neuzugang von Anfang dieses Jahres: Ein Bugatti Type 51 Grand Prix 1931.
Der Reiz der Geschwindigkeit
Rennautos siegen aufgrund ihrer Geschwindigkeit. Doch wieso geht auch der Tachometer bei einem normalen Auto über 200 km/h? Gefahren werden Familienkutschen, Kleinwagen und Transporter äusserst selten auf Rennstrecken oder deutschen Autobahnen – warum reicht dann nicht ein Tacho bis 130 km/h?
Analog dazu müssten auch unsere Backöfen eine Maximaltemperatur von 500 Grad und unsere Bluetooth Lautsprecher eine Maximallautstärke von 200 Dezibel haben. Dies ist nicht der Fall. Doch wieso ist diese unnötige – da kaum gebrauchte – Anzeige beim Auto so wichtig? Warum ist die Geschwindigkeit ein wichtiges Verkaufsargument? Wieso muss jedes Auto ein potenzieller Rennwagen sein?
Autos sind wohl aus zwei Gründen von so grosser Wichtigkeit für viele Menschen. Einerseits symbolisieren sie die individuelle Freiheit wie kein anderer Gegenstand. Die Freihat der Wahl von Typ, Marke und Farbe. Die Freiheit, welche die motorisierte Mobilität einem ermöglicht. Und die Freiheit auf Individualität, sprich Spoiler, Felgen und Aufkleber nach Wunsch. Mein Auto, mein Ziel, mein Tempo.
Und andererseits sind Autos ein einfacher, wenn auch nicht billiger Weg, beachtetet zu werden. Kommt eine total unauffällige Person, jemand der sonst unsichtbar ist, mit einem Lamborghini daher, sind ihm Blicke gewiss. Ein Auto richtet seine Scheinwerfer nicht nur auf die Strasse, sondern auch auf dessen Fahrer.
Das Auto als Statussymbol ist ein weit verbreitetes Phänomen. Noch stärker als in der Gesamtbevölkerung, sieht man dies bei einigen unserer ausländischen Mitbürger. Als ich vor gut zehn Jahren an eine Hochzeit im Kosovo eingeladen wurde, beeindruckten mich drei Dinge: Die unglaubliche Gastfreundschaft der Kosovar:innen, die Süsse der Melonen und die Anzahl Schweizer Nummernschilder auf der Strasse. Ich machte mir ein Spiel daraus, während der Fahrt die einzelnen Kantone abzuhaken. Und bis auf zwei habe ich alle innerhalb weniger Stunden gesehen.
Eine Grosszahl der Schweizer Nummernschilder hing an einem deutschen Auto; vor allem BMW und Mercedes waren überrepräsentiert. Aber wieso gross und stark? Wieso deutscher Luxus? Es sei sicherlich ein Statussymbol, doch nicht nur, erklärt mir mein damaliger Chauffeur: «Die Fahrt in den Balkan in einem kleinen Auto ist eine viel grössere Strapaze. Nach der Fahrt in einem grossen BMW ist man viel entspannter bei der Ankunft, als nach der Fahrt in einem kleinen Mazda.»
Einleuchtend. Und der Wahrheit entsprechend – zumindest was das komfortable Reisen in einem BMW betrifft. Deshalb haben grosse und starke Autos auch heute noch eine Daseinsberechtigung. Ganz besonders jene, die in einem tollen Museum stehen. Denn sie verschmutzen weder die Luft, noch belästigen sie durch Lärm – sind aber trotzdem ein Schmaus für die Augen.
Von David A. Giger
Weitere Informationen:
www.autobau.ch