19.01.2023 10:35
Wenn Pinsel, Stein und Spachtel Einklang suchen
Letzten Mittwochabend, 11. Januar, fand in der Werkstatt von Arthur Schneiter in Schönenberg das vierte Konzert einer Fünferserie mit dem Titel «Zwischen den Jahren» statt. Die Veranstaltung war jedoch weit mehr als ein Konzert – und dies nicht nur wegen des Einsatzes von Leinwand und Pinseln.
Schönenberg Es ist schwierig, eine passende Bezeichnung für das spartenübergreifende Projekt von Arthur Schneiter zu finden, das in den vergangenen Wochen in seiner Werkstatt in Schönenberg Gestalt annahm. Was vom Künstler selbst «Ein Zyklus von 5 Konzerten» genannt wird, ist nur schon aufgrund des Beizugs von anderen Künstler:innen aus verschiedenen Sparten weit mehr. Es ist eine Ausstellung von Kunst und Handwerk, aber zugleich auch Konzert und Theater. Der Begriff «Performance-Kunst» kommt dem wohl am nächsten, was sich beim vierten Konzert während einer guten Stunde in der «Kulturwerkstatt» abgespielt hat.
Steine sind auch Instrumente
«In allem ist Klang», steht auf der Webseite von Arthur Schneiter geschrieben. Dass dies bei Steinen der Fall ist, weiss der Bildhauer aus vielen Jahren Erfahrung mit dem Material: «Jeder Stein hat einen anderen Klangcharakter. Manche klingen sehr metallisch, andere hingegen sind sehr warm.»
Für die die fünf Konzerte hat sich Arthur Schneiter auf zwei Steine konzentriert – Serpentin und Granit aus Schweden. Aus diesen fertigte der Bildhauer über ein Dutzend verschiedene Instrumente an. Diese «Klangsteine» haben die verschiedensten Formen und werden erst als Instrumente ausgemacht, als Arthur Schneiter auf ihnen zu spielen beginnt: Eine Steinplatte auf Rollen, ein Windspiel aus Steinplatten und einzelnen Steinen, aufgehängt an einem massiven Stahlgestell, Steinkugeln in Steinschalen und eine schwarze, glänzende Steinplatte, die aufgehängt trotz ihrer Wölbungen an einen Fernsehbildschirm erinnert.
Dass zwei Steine, die gegeneinander geschlagen werden, einen doch ziemlich lauten Klang von sich geben, ist bekannt. Dass jedoch auch das Reiben der angefeuchteten Finger oder eines nassen, linealförmigen Steins am Ende einer Steinsäule Klänge produziert, die richtig laut sind, verblüfft.
Verblüffend sind auch die Klänge, die Arthur Schneiter mit Hilfe eines Steins, eines Stocks, seinen Handflächen und Fingernägeln auf dem grossen Steintisch zustande bringt. Oder jene Geräusche, die der Künstler mit seinem «baren Fuss» durch das Bewegen einer Steinkugel in einer Steinschale hervorruft.
Gast aus dem Tessin
Zu Gast ist heute Abend Jürg Stamm. Der in Locarno lebende Künstler, der grossformatige Leinwände mit einer immer ähnlichen, für ihn typischen Farbkombination bemalt, ist hauptberuflich als Gynäkologe tätig. Heute kommt ihm auch die Rolle des Dirigenten zu. Denn nicht nur Arthur Schneiter, sondern auch sein kongenialer Partner an den Perkussionsinstrumenten und Klangesteinen, Ernst Brunner, schaut immer wieder in Richtung Leinwand und Jürg Stamm. Der Maler versucht seinerseits, zuerst mit Kohle, dann mit Spachtel und Pinsel auf die speziellen Klänge einzugehen. Die erzeugte Musik erinnerte teilweise an eine Mischung aus elektronischer und Entspannungsmusik, teilweise jedoch auch an Kirchenglocken in der Ferne bei wechselndem Wind.
«Es war sehr interessant für mich, meinen langjährigen Freund Jürg Stamm zu beobachten und dann auf seine Bewegungen und die jeweiligen Farben einzugehen», erklärt Ernst Brunner. Es sei unglaublich schön, wenn man eine Verbindung zueinander sucht und dann gemeinsam in der gleichen «Blase» sei. Und dies, obwohl nicht all seine Erwartungen erfüllt worden seien. «Ich wartete die ganze Zeit auf die Farbe Rot – vergebens», sagt Ernst Brunner. Und wahrscheinlich hätte das Konzert noch einige Stunden länger dauern müssen, um auch in den Genuss von «Rot» zu kommen. Denn für Jürg Stamm wurde das positive Fazit des Anlasses doch durch ein «aber» getrübt: «Ich hatte einfach zu wenig Zeit.»
Ein Fazit zum ganzen Anlass zu ziehen, ist in etwa so schwierig, wie die Performance komplex war. Denn zu verstehen gab es in der Kulturwerkstatt überhaupt nichts. Entweder man bewegte sich auf der gleichen Welle oder Wellenlänge wie die Performer, oder man tat es nicht. Ein Applaus, der sogar die Klangsteine übertönte, lässt jedoch erahnen, dass ein Grossteil der 32 Zuschauer:innen während gut einer Stunde auf der gleichen Welle surfte.
www.arthurschneiter.ch
Von David A. Giger