27.01.2023 08:03
Videoüberwachung muss her
Der Bahnhof Amriswil hat es Ende des letzten Jahres wieder einmal in die nationalen Medien geschafft. Leider nicht durch erfreuliche Nachrichten, sondern durch eine weitere brutale Straftat. Grund genug für die Oberthurgauer Nachrichten, den Bahnhof genau unter die Lupe zu nehmen.
Amriswil Am 28. Dezember 2022 kam es in der Unterführung des Bahnhofs zu einem brutalen Übergriff auf eine 49-jährige Amriswilerin. In der Polizeimeldung heisst es: «Gegenüber den Einsatzkräften der Kantonspolizei Thurgau gab sie an, dass sie von zwei Personen unvermittelt angegriffen worden sei, so dass sie zu Boden stürzte. Durch den Angriff erlitt das Opfer Gesichtsverletzungen und musste ins Spital gebracht werden.» Da dies nicht der erste ähnliche Vorfall am Bahnhof Amriswil war, muss die Diskussion über eine Videoüberwachung endlich zu einem Ergebnis kommen.
Um einen Überblick über die Gesamtsituation zu erhalten, wurden letzte Woche Medienanfragen an die drei Parteien versandt, die für die Sicherheit am Bahnhof Amriswil hauptverantwortlich sind. Dies sind die Kantonspolizei Thurgau, die SBB und die Stadt Amriswil.
Von Seiten der Kapo Thurgau heisst es, dass der Bahnhof Amriswil aus ihrer Sicht kein «Brennpunkt» sei. In den letzten drei Jahren habe es vier Gewaltdelikte gegeben, jeweils einen im 2020 (Schläge, Tritte) und 2021 (Schläge) sowie zwei im 2022 (Angriff mit Messer / Schläge, Tritte). Des Weiteren heisst es in der Stellungnahme: «Unsere Einsatzkräfte patrouillieren mit Fahrzeugen und zu Fuss rund um die Uhr im ganzen Kanton, sie sind sichtbar präsent und kontrollieren dabei regelmässig Örtlichkeiten mit viel Publikumsverkehr wie öffentliche Plätze oder Bahnhöfe. An Orten, an denen sich Menschen treffen oder viel Publikumsverkehr stattfindet, ist es naheliegend, dass es auch eher zu Konflikten zwischen Menschen kommen kann.»
Die SBB bläst ins gleiche Horn: «Die SBB kann verstehen, dass ein einzelnes Vorkommnis für etwas Unruhe sorgen kann. Doch Zahlen aus der Kriminalitätsstatistik zeigen, dass unsere Bahnhöfe objektiv sicher sind, häufig sicherer als der restliche öffentliche Raum.» Dazu gehöre auch der Bahnhof Amriswil. Zudem werde das Sicherheitsdispositiv in Absprache mit den jeweiligen Kantonspolizeien laufend der Lage angepasst. Wie genau dies vonstattengehe und wie die genauen Massnahmen aussehen, werde jedoch von den Sicherheitskräften aus taktischen Gründen nicht bekanntgegeben.
Auch für Stadtpräsident Gabriel Macedo besteht kein dringender Handlungsbedarf betreffend Sicherheit am Bahnhof: «Gerade im Vergleich zu den anderen Bahnhöfen im Thurgau ist am Amriswiler Bahnhof nicht überdurchschnittlich viel oder Schlimmes passiert. Das ergibt sich auch aus den Gesprächen mit der Polizei und der SBB, die bestätigen, dass der Amriswiler Bahnhof kein Hotspot von Übergriffen, Diebstählen oder sonstigen Angriffen ist.» Dennoch setzte man sich schon jetzt für die Installation einer Videoüberwachung ein, da dies ein Bedürfnis der Bevölkerung sei, so Gabriel Macedo: «Im Projekt 'Neugestaltung Bushof und Bahnhofplatz' ist eine Videoüberwachung eingeplant. Mit dem Bau und der Neugestaltung wird in rund einem Jahr begonnen.» Da jedoch die Forderungen nach einer Videoüberwachung jetzt schon lauter geworden seien, sei man mit der SBB bereits in Kontakt getreten, um zumindest in der Unterführung und allenfalls auf dem Perron schon baldmöglichst eine Videoüberwachung zu installieren. Aber letztlich liege der Entscheid bei der SBB, da diese Grundeigentümerin sei, so der Stadtpräsident.
Augenschein vor Ort
Es ist Samstagabend, 21. Januar, kurz vor 20 Uhr. Am Bahnhof Amriswil ist nicht viel los, einzig im Imbiss herrscht etwas Betrieb. Das ganze Areal des Bahnhofs ist hell beleuchtet und die Stille wird einzig durch die gelegentliche Einfahrt eines Zuges durchbrochen. Dass man beim Fotografieren der Szenerie auf seine Absicht angesprochen wird, überrascht deshalb umso mehr. Doch auch nur bis klar wird, dass die Dame und der Herr nicht einfach mit ihrem Hund Gassi gehen: Es ist eine Patrouille der Kapo Thurgau, in Zivil gekleidet und in Begleitung eines Diensthundes.
Während eines Gesprächs wird nochmals darauf hingewiesen, dass der Bahnhof Amriswil kein eigentlicher Brennpunkt sei, die angetroffene Atmosphäre also nicht täusche. Dass jedoch eine Videoüberwachung auch für die Kapo ermittlungstechnische Vorteile bringen und somit begrüsst werden würde, wird ebenfalls bekräftigt.
Besser gestern als morgen
Seit einer gefühlten Ewigkeit wird in Amriswil die Installation einer Videoüberwachung am Bahnhof diskutiert. Ganz so lange ist es tatsächlich jedoch nicht her, doch bestimmt seit dem Sommer 2021, als ein Jugendlicher an selber Stelle angegriffen und verletzt wurde. Dass es an einem Ort, der täglich von Hunderten von Menschen besucht wird, gelegentlich zu Zwischenfällen kommt, ist nicht zu vermeiden. Dass es gerade wegen dieser hohen Frequentierung Sinn macht, eine Videoüberwachung zu installieren, sollte selbsterklärend sein. Insbesondere, da die Vorteile einer Videoüberwachung ganz klar überwiegen und die Nachteile durch Einhalten von gewissen Datenschutzregeln aus der Welt geschafft werden können.
Darum braucht es am Bahnhof Amriswil unbedingt eine Videoüberwachung. Dies würde nicht nur die Hemmschwelle künftiger Täter um einiges anheben, sondern auch der Bevölkerung wieder ein Gefühl der Sicherheit vermitteln. Höchste Zeit also, die Diskussionen zu beenden und ein Resultat zu präsentieren. Denn Diskutieren alleine ist nur eine Aufschubtaktik, gefragt ist jetzt eine rasche Entscheidung unmittelbar gefolgt von Handeln.
Zivilcourage ist eine Tugend
Und auch von uns allen ist Handlen gefordert, sollten wir einmal eine Straftat beobachten – egal, wo diese begangen wird. Denn Zivilcourage ist auch heute noch eine Tugend. Wieso dies der Fall ist, warum Zivilcourage für unsere Gesellschaft so wichtig ist und wie man sich richtig verhält, wird in der Broschüre «Bitte misch dich ein!» der Schweizerischen Kriminalprävention festgehalten.
Wer mehr über das Thema «Zivilcourage» wissen will, findet auf der Webseite www.skppsc.ch oder in einer der nächsten Ausgaben der Oberthurgauer Nachrichten mehr Informationen zum Thema. Denn informiert sein, lohnt sich. Vor allem dann, wenn dadurch eine künftige Straftat verhindert oder ein Gewalttäter ermittelt werden können.
Von David A. Giger