22.08.2024 09:34
«Fetzeln» dem See entlang
Am Samstag, 17. August, fand der «Clean Up Day» am Arboner Seeufer statt. Obwohl es keinen grossen Ansturm an freiwilligen Helfer:innen gab, konnte die Aktion der Grünen Arbon doch eindrücklich aufzeigen, dass «Fetzeln» leider kaum irgendwo nicht erfolgversprechend ist.
Arbon Am Arboner Seeufer, direkt nach der Mündung der Aach, gibt es ein kleines Naturschutzgebiet. Wo eigentlich Schilf wachsen und Wasservögel brüten sollten, wurde auch am vergangenen Samstag «gefetzelt». Obwohl dies nur ganz am Rand, unmittelbar hinter der Mauer der Seepromenade und somit auf einer winzig kleinen Fläche geschah, war die Aktion äusserst erfolgreich. Vom Zigarettenstummel über die PET-Flasche bis hin zum Telefonmast war alles zu finden. Es scheint, als hätten weder die Menschen noch der See die Bedeutung des Worts «Naturschutz» verstanden.
Der «Clean Up Day» in Arbon wurde bereits zum 6. Mal von den Grünen Arbon organisiert. In der Einladung zur Säuberung des Seeufers wurden alle freiwilligen Helfer:innen dazu aufgefordert, schwarze Abfallsäcke, Gummihandschuhe und Gummistiefel mitzubringen. Dies nicht ohne Grund, denn nicht nur Teile des Uferbereichs waren schlammig, sondern es begann auch kurz nach Beginn des Anlasses zu regnen. «Obwohl es im September jeweils einen 'Internationalen Clean Up Day' gibt, wollten wir auch einen regionalen organisieren. Denn an den Internationalen gehen sowieso alle, was weniger Arbeit für jeden Einzelnen bedeutet», erklärt Cornelia Wetzel, die Präsidentin der Grünen Arbon. Auch sei der Zeitpunkt jetzt im August einiges günstiger, da die meisten Bäume entlang des Arboner Seeufers ihr Laub noch nicht verloren hätten.
Omnipräsenter Abfall
«Tätschmeister» des Anlasses am Samstag war Daniel Stillhard. Er sei zwar erst seit Kurzem Mitglied bei den Grünen, setze sich aber schon lange für Nachhaltigkeit ein – unter anderem seit fünf Jahren mit dem «Repair Café». «Wir laufen nebeneinander, nicht hintereinander und wir sammeln alles ein, das nicht zur Natur gehört», informierte er das Dutzend Freiwilliger, das sich am Samstagmorgen bei der Brücke über die Aach eingefunden hatte. Bevor jedoch die mit leuchtgelber Weste und froschgrünem Käppli ausgerüsteten Freiwilligen zum «Fetzeln» in Richtung Seepark aufbrachen, wurde vor Ort noch ein kleines Experiment gestartet: Auf rund 30 Quadratmetern Fläche entlang der Aach wurde während 5 Minuten «gefetzelt». Der Haufen Abfall, der in kürzester Zeit zusammengetragen wurde, war eindrücklich. Doch sei dies wohl nur die Spitze des Eisbergs. «Unter der Vegetation hätte es garantiert noch mehr – wahrscheinlich die zehnfache Menge», meinte eine Teilnehmerin. «Wenn du morgen nochmals kommst, kannst du wieder von vorn anfangen», kommentierte eine andere Teilnehmerin die vielen Fundstücke.
Kurz nach der Aachmündung auf Arboner Gemeindegebiet direkt am Seeufer befindet sich ein kleines Naturschutzgebiet. Schon von der Mauer der Seepromenade aus lässt sich erahnen, dass hier etwas «Fetzeln» nicht schaden würde. Doch obwohl die Verschmutzung offensichtlich ist, sei das Gebiet eine Sperrzone, erklärt der Arboner Stadtrat Didi Feuerle: «Man bräuchte die Bewilligung des Kantons, um ins Naturschutzgebiet hineinzugehen. Deshalb und wegen der Schwäne beschränken wir uns auf den Rand des Naturschutzgebiets.» Wegen Zweiterem wurde auch unmittelbar nach dem Naturschutzgebiet eine respektvolle Distanz zum Seeufer gehalten. Denn Schwanen-Eltern würden ihre Jungtiere aggressiv gegen jeden Eindringling verteidigen, ergänzte Didi Feuerle.
Doch nur schon entlang der Mauer der Seepromenade war einiges zu finden, das dort nicht hingehörte. Vieles wird wohl vom Hochwasser dorthin gespült worden sein, zum Beispiel ein halber Telefonmast und von Algen besiedelte PET-Flaschen. Doch Zigarettenstummel und nicht verwitterte Bierdosen und Plastikflaschen sind Indiz dafür, dass auch hier ein Grossteil der Verschmutzung auf Menschenhand zurückzuführen ist. Nebst Plastikmüll in allen erdenklichen Formen, war es vor allem auch Holz, das eingesammelt wurde. Es seien jedoch nicht die teilweise noch darin steckenden Nägel, die das Problem seien, sondern die Behandlung, die das Holz einst erfahren habe, erklärt Didi Feuerle: «Durch Druckimpregnierung werden Pilzhemmer ins Holz gepresst. Indem man das Holz vergiftet, wird es länger haltbar gemacht.» Solches Holz sollte man nicht in der Natur verrotten lassen, da es sehr lange daure und stetig Gift an die Umgebung abgegeben würde. «Das Schwemmholz ist per se kein Problem. Denn dieses verrottet und bildet so einen normalen, natürlichen Kreislauf. Aber impregniertes Holz ist kein lebensfreundlicher Ort für andere Organismen», erklärt er und hält zur Illustration seiner Aussage ein Stück Schwemmholz in die Höhe, auf dem sich schon eine neue Pflanze eingenistet hat.
Wegwerfkultur als Ursprung
«Jetzt kommen die Raucherbänkli - da gibt es besonders viel zu tun», ruft eine Teilnehmerin, als der Trupp sich dem ehemaligen Hotel Metropol nähert. Zwei Bänkli weiter ergänzt sie ihre Einschätzung, nachdem sie einige Bierdosen eingesammelt hat: «Das hier ist definitiv ein Raucher- und Säuferbänkli. Und in nur drei Metern Entfernung hat es einen Abfalleimer!»
Wie es möglich ist, so rücksichts- und verantwortungslos zu handeln, ist eine Frage, die wohl keine allgemeingültige Antwort kennt. «Früher wurde noch auf Nachhaltigkeit produziert, heute muss es einfach billig sein», meint Daniel Stillhard zur Problematik. Diese Erfahrung habe er nicht nur beim «Fetzeln», sondern auch im Repair Café gemacht: «Gewisse Länder können es sich nicht leisten, so verschwenderisch zu sein, wie wir es sind. Uns geht es materiell einfach zu gut.»
Wer selbst einen Beitrag zu einer sauberen Umgebung leisten oder in Erfahrung bringen will, wo überall sich Plastikmüll «versteckt», der hat bald Gelegenheit dazu. Am Freitag, 20. September 2024, ist «World Cleanup Day». Doch «Fetzeln» ist weder termin- noch ortsgebunden und lässt sich auch individuell wunderbar praktizieren. Und man braucht nicht einmal weit dafür zu gehen, denn die Spuren unserer Wegwerfgesellschaft sind schon überall zu finden. Leider.
Von David A. Giger