Die Saurer-Tradition soll weiterleben
Heinz Oertle hat vieles gemeinsam mit den Saurer-Lastwagen, die im Museum am See stehen: Alle kommen aus Arbon, alle haben Saurer «im Blut» und für alle ist Stillstand das grösste Übel überhaupt.
Saurer Museum
Heinz Oertle hat vieles gemeinsam mit den Saurer-Lastwagen, die im Museum am See stehen: Alle kommen aus Arbon, alle haben Saurer «im Blut» und für alle ist Stillstand das grösste Übel überhaupt.
Arbon Die Nostalgie ist Heinz Oertle in die Augen gezeichnet, als er über die Geschichte der Familie Saurer und der Stadt Arbon erzählt. Seine Augen strahlen, während er in Erinnerungen an das Arbon von früher schwelgt. Und manchmal scheinen seine Gedanken ihm die Worte zu rauben, die sonst so locker und flüssig aus ihm herausströmen. «Ich habe solch eine Freude, Teil einer so tollen Sache zu sein. Darum gibt es kaum einen Tag, an dem ich nicht im Museum bin», meint der 80-Jährige.
Diese tolle Sache ist das Saurer Museum am See, das vom Oldtimer Club Saurer betrieben wird und das mit Abstand grösste Museum der Schweiz ist, das ausschliesslich von Freiwilligen betrieben wird. Ausgestellt sind in der Halle, die immer noch den Original-Boden aus Holzwürfeln aus dem Jahre 1903 hat, nebst 20 historischen Fahrzeugen auch verschiedene Motoren sowie Stick- und Webmaschinen aller Generationen, die einst in Arbon hergestellt wurden. Und im Depot hinter dem Bahnhof beim Presswerk stehen über 20 weitere Fahrzeuge.
Ein besonderer Hingucker ist ein ehemaliges Löschfahrzeug der Feuerwehr Oerlikon. Denn nicht nur die Holzsessel für die Mannschaft sind unter freiem Himmel, sondern auch eine Führerkabine gibt es nicht. Es scheint also, dass schon 1929 eine Fahrt im Cabrio geschätzt wurde. Oder dass bei schlechtem Wetter nicht gearbeitet werden musste, da der Regen die Arbeit der Feuerwehr übernahm.
«Saurer waren immer die besten Fahrzeuge für alle Gelände, in den 40ern und 50ern waren sie das Beste überhaupt. Nur haben sie leider den Umstieg auf gute Strassen etwas verschlafen», erzählt Heinz Oertle. Dies sei der Anfang vom Ende gewesen. Aufgrund der Grenzöffnung in den 60er Jahren sei die Konkurrenz in punkto Lieferzeiten und Produktionskapazitäten einfach zu stark geworden, so dass ab 1983 nur noch Stickmaschinen, aber keine Webmaschinen und Fahrzeuge mehr in Arbon gebaut wurden.
Obwohl Heinz Oertle voller Begeisterung für die Firma Saurer und ihre Geschichte ist, wurde er erst nach ihrem Niedergang Teil davon. Er machte seine Lehre sogar bei der «Konkurrenz» in der Stadt: «Ich habe meine Lehre von 1958 bis 1962 als Maschinenschlosser bei der Zwirn- und Spulmaschinenfabrik Hamel gemacht. Erst in den 80er Jahren bin ich dann dem Oldtimer Club Saurer beigetreten.»
Dieser Oldtimer Club ist der Grund, wieso es «Saurer» auch heute noch gibt und es nicht nur ein Name in Geschichtsbüchern und auf alten Fahrzeugen ist: «Wir sind rund 90 Leute, mit einem harten Kern von rund 30, die sich für das Museum engagieren. Und wir alle sind der Überzeugung, dass wir die Saurer-Tradition nicht sterben lassen dürfen.»
Obwohl vieles im Museum schon seit Jahren gleich ist, hat sich in den letzten Monaten doch auch einiges geändert. So hat es neue Fenster und neue Lampen gegeben, die für mehr Licht in der grossen Halle sorgen. Auch eine neue Küche und ein neues Foyer wird es bald geben, so dass es im Museum noch mehr Möglichkeiten gibt, Anlässe durchzuführen.
Das zusätzliche Licht hat jedoch auch einiges an den Tag gelegt, womit die Betreiber nicht gerechnet haben. «Jetzt sieht man jedes Staubkorn und jeden kleinen Kratzer. Darum suchen wir ein paar Helfer, welche unsere Fahrzeuge wieder auf Hochglanz polieren», erklärt einer der Betreiber beim Vorbeilaufen.
Auch die Digitalisierung ist im Museum ein Thema. Einige Maschinen können schon jetzt mit QR-Code in einer digitalisierten Form betrachtet werden. «In zehn Jahren gibt es viel Wissen zu den Ausstellungsobjekten nicht mehr. Um dieses Wissen nicht ganz zu verlieren, versuchen wir so viel wie möglich zu digitalisieren», erklärt Heinz Oertle.
Das Spezielle am Saurer-Museum sind aber nicht die Fahrzeuge an sich, sondern deren Zustand. Denn alle Fahrzeuge laufen, wie Heinz Oertle verrät: «Die laufen und laufen – wie wir! Und genau wie wir, müssen sie sich nur bewegen». Das heisst, dass nicht nur das Feuerwehrauto aus Oerlikon mit dem museumseigenen «Unternehmerschild» ausgefahren werden könnte, sondern auch der erste Saurer Lastwagen überhaupt aus dem Jahr 1903 und jener, der 1911 nach Brasilien exportiert wurde und jetzt wieder in seiner Geburtsstätte steht. Gemacht wird dies jedoch nicht, denn die Reifen der ersten Saurer sind nicht mehr strassentauglich.
Obwohl die Stickmaschinen, Motoren, Fahrzeuge und ein Eintrittspreis von nur 8 Franken schon genügend Grund sind, das Saurer Museum zu besuchen, geben die Betreiber noch einen zusätzlichen Ansporn. Denn sie sind genauso Originale aus einer früheren Zeit, wie die ausgestellten Maschinen. Deshalb ist zu hoffen, dass auch sie noch viele Jahre weiter so reibungslos laufen, wie die Motoren ihrer Ausstellungsobjekte.
www.saurermuseum.ch
Von David A. Giger
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